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Die neu-alte „Vermarktung“ der Supermärkte

23 Dez
Bild: © Sarah Krobath

Bild: © Sarah Krobath

Farbenfrohes Gemüse in geflochtenen Körben versehen mit kleinen Täfelchen, die sich wie ein Atlasverzeichnis mit Österreichs schönsten Regionen lesen. Daneben eine kleine Obstinsel aus gestapelten mit Stroh ausgekleideten Holzkisten. Ganze, halbe und geviertelte Käselaibe posieren in Reih und Glied auf hölzernen Balken und ein paar Schritte weiter baumeln Schinken hinter sich türmenden Salamis und zeichnen damit ein Bild wie es der italienische Stilllebenmaler Felice Boselli nicht besser gekonnt hätte. Ich liebe Marktbesuche! denke ich mir und werde von der kurzatmigen Dame, die mit ihrem Einkaufswagen Autodrom und prompt gegen meinen Fuß fährt, in die Realität – meinen Einkauf im Supermarkt – zurück geholt. Die bemüht inszenierte „zurück zum Ursprung“-Optik mit Körben und Tafeln, die zumindest aussehen wie handbeschrieben, verleiht dem Wort Vermarktung eine ganz neue Bedeutung. Und diese Marktmetamorphose kommt nicht von ungefähr.

In einem Interview zur Biofach 2014 (der Weltleitmesse für Biolebensmittel in Nürnberg) erläuterte Trendforscherin Dr. Miriam Hauser die wichtigsten Wertefelder, die unsere Kaufentscheidung bei Lebensmitteln beeinflussen: Neben den Evergreens Auswahl, Qualität, Gesundheit und Nachhaltigkeit gewinnen in Zukunft vor allem bequem, vertraut und ursprungsnah an Wert. Vertraut sehen die Stände auf Brunnenmarkt, Naschmarkt und Co in der Tat aus, ähneln sie doch zunehmend den Regalen von Spar, Billa und Merkur – also jenen von vor fünf Jahren. Nach TV-Show-Konzepten wie „Frauentausch“ und „Herrchentausch“ wäre jetzt die Zeit für „Markttausch“ gekommen. Herbert Vlasaty würde für eine Woche seinen Meinl am Graben gegen den Marktstand von Irene Pöhl am Kutschkermarkt tauschen, Mareike Nossol die Stände vom Adamah Biohof leiten und Gerhard Zoubek würde wiederum sieben Tage bei denn’s Biomarkt das Ruder übernehmen. Und die Moral von der Geschicht? Ursprünglichkeit ist nun mal nicht bequem. Wer einmal bei einem Tag im Leben eines Marktverkäufers Mäuschen spielen möchte, der kann dies beim Lesen meines Artikels für Biorama tun. Gute Freiluftmärkte, böser Supermarkt? Nein, so einfach ist es nicht. Schließlich versammeln sich in der ja! Natürlich Abteilung im Billa wahrscheinlich mehr heimische Produzenten in Form von Frischware als unter der Woche am Brunnenmarkt. Der Großgrünmarkt (der größte Wiener Großmarkt für Großhandel, Einzelhandel und Gastronomie) lässt grüßen. Und es sind vermehrt die Marktverkäufer, die diese immer gleichen Grüße, zu großen Teilen aus dem Ausland, überbringen.

Ich liebe Marktbesuche! denke ich mir am darauffolgenden Samstag und kann mein Glück zwischen Roten Rüben in jeder Größenordnung, zehn verschiedenen Apfelsorten und einem gewaltigen Strauß Lauch nicht fassen. Doch irgendwas stimmt mich skeptisch – überall geflochtene Körbe, tatsächlich handbeschriebene Tafeln und unter den Brauereitischen stapelweise hölzerne Kisten. Aber da holt mich auch schon das beruhigende Lächeln der beschürzten Marktverkäuferin auf meinen Spaziergang über den Bauernmarkt zurück. Wahrscheinlich bereitet der Einzelhandel währenddessen bereits seinen nächsten Coup vor und plant im neuen Jahr, die eigenen Hallen zu verlassen, um mit möglichst ursprünglich gestalteten Marktständen auf den heimischen Märkten einzufallen. Und jetzt mal ganz ehrlich, wäre das denn so schlecht?

Neueröffnung: Restaurant „Zum eigenen Herd“.

13 Okt

Den Appetit holt man sich woanders aber gegessen wird zuhaus. Zack, geradewegs wird man in die erste Reihe einer 90er-Jahre-Talkshow über imaginäre Seitensprünge katapultiert. Weil das pikante Thema Fremdgehen von Berufsstreithähnen wie Arabella oder Türk aber schon mehrfach zu Tode diskutiert wurde, widme ich mich lieber dem „Fremdessen“. Will man sich belohnen oder einfach etwas Gutes tun – von einem Seitensprung mal abgesehen – gönnt man sich einen Besuch in einem guten Restaurant. Darauf wird gerne auch mal ein paar Wochen gespart. Aber wozu eigentlich? Damit man in edlem Ambiente kleine Kunstwerke aufgetischt bekommt, die dem Aufgebot an auf Hochglanz polierten Esswerkzeugen mengenmäßig klar unterlegen sind? Weil dort gutes Essen aus guten Zutaten serviert wird, möchte man meinen. Aber isst man im Restaurant wirklich etwas Besseres? Fleisch-Importe aus Asien und Fernsehreportagen über Burn-out gefährdete Hygiene-Kontrolleure erzählen eine andere Geschichte. Kein Wunder, dass Secret Dining und Guerilla Cooking geradezu boomen und immer mehr selbsternannte Gastronomen in den eigenen vier Wänden Gäste bekochen. Die meisten Küchenchefs tun dies bekannterweise auch nur mit Wasser und die Lebensmittel im eigenen Kühlschrank stehen denen in der Gastronomie um nichts nach. Wer sich einen Großmarkt als überdimensionalen Billa ums Eck vorstellt, wird spätestens von der fehlenden Bio-Abteilung zurück in die Realität geholt. Es soll zwar Gastronomen geben, die sich die Mühe machen, ihre Bio-Zutaten direkt bei Erzeugern aus der Region zusammenzusammeln und sich die jährlichen Kosten einer Bio-Zertifizierung leisten können – die muss man aber suchen. Inzwischen gilt es ja schon als naiv, wenn man in einem Wiener Gasthaus ein niederösterreichisches oder wenigstens rot-weiß-rotes Hendl erwartet. Beim Frühstücksei lässt sich die Herkunft noch einfach feststellen, auf Panier und Käsekruste sucht man einen Zahlencode aber vergebens. Weil wir nun mal keine Nahrungsmittel, sondern Mahlzeiten, mehr oder weniger raffinierte Gerichte und am liebsten unsere Leibspeisen essen, spielt neben hochwertigen Zutaten natürlich auch deren Zubereitung eine wichtige Rolle. Ein Grund mehr, sich hin und wieder mit dem Luxus eines selbstgekochten Festmahls zu belohnen – schließlich kennt keiner den eigenen Geschmack so gut wie man selbst. Wer beim Kochen gerne Gesellschaft hat, der besucht am besten eine „Openkitchen“ oder organisiert gleich seine eigene. Für die Zutaten ist man selbst verantwortlich, für Kochausstattung, nette Bekanntschaften und jede Menge Spaß ist gesorgt. Ob in Gesellschaft oder allein, ich werde ab sofort auf jeden Fall wieder öfter zu Gast im Restaurant „Zum eigenen Herd“ sein.