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Viva la Wocheneinkauf!

9 Jul
Am Kutschkermarkt © Jürgen Pletterbauer

Am Kutschkermarkt © Jürgen Pletterbauer

Freilich könnte ich  jeden zweiten Tag kurz vor Ladenschluss ins beinahe schon durchgehend geöffnete Geschäft meines Vertrauens bzw. der näheren Umgebung hasten, um die Handvoll Lebensmittel zu besorgen, die ich gerade brauche oder auf die ich gerade Lust habe. Freilich käme ich dann mit allerhand, das ich eigentlich überhaupt nicht gebraucht hätte, mir aber die in doppeltem Sinne günstigen Zweitplatzierungen aufgedrängt haben, wieder raus. Effizient ist das freilich nicht und angenehm erst recht nicht. Lieber kaufe ich einmal die Woche richtig ein. Einkaufen sollte man nämlich so wie man im idealerweise auch isst: bewusst und mit Genuss. Das in einem Supermarkt in der grantigen Schlange vor dem noch grantigeren Kassierer zu schaffen, ist ein wahres Kunststück. Eines, das mir persönlich einfach nicht glücken will. An den Einkaufswagen gelehnt meditieren, Atemübungen im Rhythmus des Kassapiepens und sämtliche Relax, Chill-out und Chillax Playlists auf Spotify – nichts davon vermag die abschließende Hetzjagd am Kassaband (wer ist schneller – du beim über den Sensor Ziehen und wie wild Barcodes Eintippen oder ich beim Einpacken?) zu entschärfen.
Deshalb kaufe ich mittlerweile nur noch einmal die Woche ein. Samstags. Am Markt. Und zwar in aller Ruhe – vorausgesetzt es gelingt mir, den Parcours, den die eiligen Damen jeden Alters mit ihren zu Einkaufshelfern umfunktionierten Billigtrolleys made in China absolvieren, zu ignorieren. Sicherheitshalber halte ich mir den ganzen Vormittag dafür frei. Auf die Art ist es letztendlich egal, ob ich neben 40 Euro auch noch 2 Stunden am Schweizer Käsestand und dem schräg gegenüber positionierten Biobauern liegen lasse. Einkaufen – das hab ich in Italien gelernt – ist eine vormittagsfüllende Beschäftigung, die durchaus ein Genuss sein kann, wenn man sie als solche akzeptiert. Das zu tun, habe ich ebenfalls auf die harte Tour im Piemont gelernt.
Während bei uns schon mindestesns drei Leute lauthals „Kassaaa!“ krächzen würden, warten die Italiener geduldig in der Schlange, studieren noch das ein oder andere Produktetikett oder unterhalten sich mit schlichtweg Fremden über das Befinden eines Cousins, die meteorologischen und kulinarischen Aussichten fürs Wochenende oder die aktuelle offerta speciale. Bei manchem Fleischhauer wird einem die Wartezeit sogar mit einem Glas Wein oder einem Espresso versüßt. Darüber, dass das Servieren derselben zu einer weiteren Verzögerung beiträgt, wird pazientemente hinweggesehen.
Nach so einem Wocheneinkauf sind Kühlschrank, Obstschüssel, Brotdose und Käsevorräte wieder aufgestockt und es lässt sich einige Tage gut und genüsslich davon leben, ja sogar Gäste damit verköstigen. Wenn dann doch einmal die Eier für die Biskuitroulade vergessen worden sind, sich das Brot viel zu früh vor dem nächsten Wochenende verkrümelt hat oder ihm der Käse sogar zuvorgekommen ist, dann kann man ja schnell einmal einen Ausflug ins grantige und hektische Supermarkttreiben machen und die anwesenden Ein- und Verkäufer mit einem unverzagten Lächeln völlig aus ihrem Konzept bringen. Ist schließlich nur eine Ausnahme, in ein paar Tagen geht es wieder für zwei, drei Stunden zum Wocheneinkauf auf den Markt.

Meine 3 liebsten Wiener Märkte:

  1. Yppenmarkt im 16.: beim samstäglichen Bauernmarkt in meinem Grätzel kaufe ich neben Bio-Obst und Gemüse gerne meine Schweizer Lieblingskäse von Jumi beim Stand von Juhu oder kaes.at, italienische Spezialitäten und, wenn ich Italien besonders vermisse, einen Crodino bei La Salvia sowie Brot und Mohnzelten bei Kasses.
  2. Kutschkermarkt im 18.: Hüseyin macht seine Kebabspieße mit viel Liebe selbst – jeden Samstag gibt’s herrliches Lammkebap (so ziemlich das einzige, das ich esse), Pöhl’s Käsestand versorgt mich neben abwechslungsreichen Käsekreationen von kleinen Produzenten – viele davon sind aus Rohmilch hergestellt – in der Mittagspause mit einer frisch gekochten Marktsuppe und versüßt mir den Tag mit der hausgemachten Kuchenauswahl. Darum halte ich mit Freude auch meine nächste Buchpräsentation am Kutschkermarkt ab, am 18. Juli um 18 Uhr.
  3. Karmelitermarkt im 2.: wenn er nicht so weit weg wäre, würde ich öfter auf einen Alt Wien Espresso bei der Kaffeestation, Flûtes von Gragger, Obst und Gemüse vom Biohof Rapf sowie wunderbaren Lavendelsirup von Garden Love und das ein oder andere Dirndl-Bier von Bruckners Erzbräu vorbeischauen.

Auf welchen Märkten kaufst du am liebsten ein? Ich freu mich über neue Tipps für meinen nächsten Wocheneinkauf!

 

Die neu-alte „Vermarktung“ der Supermärkte

23 Dez
Bild: © Sarah Krobath

Bild: © Sarah Krobath

Farbenfrohes Gemüse in geflochtenen Körben versehen mit kleinen Täfelchen, die sich wie ein Atlasverzeichnis mit Österreichs schönsten Regionen lesen. Daneben eine kleine Obstinsel aus gestapelten mit Stroh ausgekleideten Holzkisten. Ganze, halbe und geviertelte Käselaibe posieren in Reih und Glied auf hölzernen Balken und ein paar Schritte weiter baumeln Schinken hinter sich türmenden Salamis und zeichnen damit ein Bild wie es der italienische Stilllebenmaler Felice Boselli nicht besser gekonnt hätte. Ich liebe Marktbesuche! denke ich mir und werde von der kurzatmigen Dame, die mit ihrem Einkaufswagen Autodrom und prompt gegen meinen Fuß fährt, in die Realität – meinen Einkauf im Supermarkt – zurück geholt. Die bemüht inszenierte „zurück zum Ursprung“-Optik mit Körben und Tafeln, die zumindest aussehen wie handbeschrieben, verleiht dem Wort Vermarktung eine ganz neue Bedeutung. Und diese Marktmetamorphose kommt nicht von ungefähr.

In einem Interview zur Biofach 2014 (der Weltleitmesse für Biolebensmittel in Nürnberg) erläuterte Trendforscherin Dr. Miriam Hauser die wichtigsten Wertefelder, die unsere Kaufentscheidung bei Lebensmitteln beeinflussen: Neben den Evergreens Auswahl, Qualität, Gesundheit und Nachhaltigkeit gewinnen in Zukunft vor allem bequem, vertraut und ursprungsnah an Wert. Vertraut sehen die Stände auf Brunnenmarkt, Naschmarkt und Co in der Tat aus, ähneln sie doch zunehmend den Regalen von Spar, Billa und Merkur – also jenen von vor fünf Jahren. Nach TV-Show-Konzepten wie „Frauentausch“ und „Herrchentausch“ wäre jetzt die Zeit für „Markttausch“ gekommen. Herbert Vlasaty würde für eine Woche seinen Meinl am Graben gegen den Marktstand von Irene Pöhl am Kutschkermarkt tauschen, Mareike Nossol die Stände vom Adamah Biohof leiten und Gerhard Zoubek würde wiederum sieben Tage bei denn’s Biomarkt das Ruder übernehmen. Und die Moral von der Geschicht? Ursprünglichkeit ist nun mal nicht bequem. Wer einmal bei einem Tag im Leben eines Marktverkäufers Mäuschen spielen möchte, der kann dies beim Lesen meines Artikels für Biorama tun. Gute Freiluftmärkte, böser Supermarkt? Nein, so einfach ist es nicht. Schließlich versammeln sich in der ja! Natürlich Abteilung im Billa wahrscheinlich mehr heimische Produzenten in Form von Frischware als unter der Woche am Brunnenmarkt. Der Großgrünmarkt (der größte Wiener Großmarkt für Großhandel, Einzelhandel und Gastronomie) lässt grüßen. Und es sind vermehrt die Marktverkäufer, die diese immer gleichen Grüße, zu großen Teilen aus dem Ausland, überbringen.

Ich liebe Marktbesuche! denke ich mir am darauffolgenden Samstag und kann mein Glück zwischen Roten Rüben in jeder Größenordnung, zehn verschiedenen Apfelsorten und einem gewaltigen Strauß Lauch nicht fassen. Doch irgendwas stimmt mich skeptisch – überall geflochtene Körbe, tatsächlich handbeschriebene Tafeln und unter den Brauereitischen stapelweise hölzerne Kisten. Aber da holt mich auch schon das beruhigende Lächeln der beschürzten Marktverkäuferin auf meinen Spaziergang über den Bauernmarkt zurück. Wahrscheinlich bereitet der Einzelhandel währenddessen bereits seinen nächsten Coup vor und plant im neuen Jahr, die eigenen Hallen zu verlassen, um mit möglichst ursprünglich gestalteten Marktständen auf den heimischen Märkten einzufallen. Und jetzt mal ganz ehrlich, wäre das denn so schlecht?

Super Märkte statt Supermärkte.

11 Apr

Bild: © farmerspal.com

Die besten Märkte brauchen kein „Super-„ vornedran. Sie machen meterhohe Regale und Expresskassen, an denen grantige Mitarbeiter Fließ- bzw. Kassabandarbeit leisten, überflüssig und kommen ganz ohne kollisonsgefährdete Einkaufswägen aus. Im Grunde braucht ein Markt nichts weiter als ein paar Stände mit guten Lebensmitteln darauf und guten Produzenten dahinter. Wenn die, wie beim burgenländischen Markt der Erde, aus höchstens 40 Kilometern in der Umgebung kommen, umso besser. Das am Boden gebliebene Obst und Gemüse hat zwar nicht die Welt gesehen, dafür aber noch echte Handarbeit nach traditionellen Methoden. Jetzt, da sich Bioläden gegenüber Supermärkten in erster Linie nur noch durch ihre hohen Preise auszeichnen und jeder Diskonter seine eigene Biomarke im Angebot hat, scheint „hausgemacht“ das neue „bio“ zu sein. War London bis vor kurzem mit „organic“ zugepflastert, schießen heute Ketten wie Gail’s Artisan Bakery und Marken wie Artisan du chocolat aus dem Boden. Statt auf ein Gütesiegel oder eine Zertifizierung vertrauen viele lieber auf den Menschen hinter dem Lebensmittel. Wozu ein anonymes Labyrinth voller Halogenröhren betreten, wo es sich unter freiem Himmel oder in einem liebevoll geführten Bauernladen doch viel schöner einkaufen lässt? Anstelle eines kurzangebundenen „Darf’s noch was sein?“ bekommt man am Markt zwei Melanzani plus einen Zubereitungstipp gratis und darf Käse auch probieren, statt nur die bemühte Beschreibung auf dem Etikett zu studieren. Für Werbeversprechen und bunte Aktionssticker ist am Markt genauso wenig Platz wie für unnötiges Verpackungsmaterial. Deshalb wandern Paprika und Tomaten nicht in rechteckigen, zellophanierten Kartontassen, sondern so wie Gott sie schuf in Einkaufskorb und -tasche. Die vielen Informationen, die man beim Plaudern am Markt über Herkunft, Herstellung und Endprodukt bekommt, würden ohnehin den Rahmen jeder Plastikfolie sprengen. Im Supermarkt muss man sich mit Ablaufdatum und Inhaltsstoffangabe begnügen und erfährt dabei nicht mehr über ein Lebensmittel als aus einem Reisepass über eine Person. Am Markt ist der Verkäufer im besten Fall auch selbst der Produzent und wenn nicht, ist er mit diesem zumindest eng vertraut. So wie Irene Weinfurter, die im 20. Wiener Bezirk unter anderem handwerklich hergestellte Öle, Marmeladen, Milchprodukte, Fleisch- und Wurstwaren von regionalen Bio- und Demeter-Bauern anbietet. In ihrem Hofladen kann man es sich auch bei schlechtem Wetter gut gehen lassen. Dort kredenzt die Bio-Köchin jeden Freitag Hausmannskost mit Zutaten aus eigenem Anbau. Mit unverschämt günstigen Multipackungen und Minus-25%-Tagen können solche Läden und Märkte freilich nicht aufwarten, das macht sie aber auch nicht weniger super, ganz im Gegenteil.

Kostenlos zu jedem Einkauf: Der Supermarktflirt.

21 Jul

Bild: Flickr © Jay Parker

„Haben die hier auch süße Sojasauce?“ hat er gefragt. Die soll besonders gut schmecken, habe er gehört. Außerdem müsse er seine Vorräte aufstocken. Er sei nämlich gerade erst aus dem Urlaub zurück, einem zweiwöchigen, und habe nichts mehr im Kühlschrank. So hätte unser – zugegeben recht einseitiges – Gespräch noch ewig weitergehen können, hätte ich nicht die Flucht ergriffen und meinen Einkaufswagen schnurstracks aus der Gefahren- bzw. Flirtzone gesteuert. Von Babykiwis bis hin zu Blutdruck-Messgeräten, im gut sortierten Supermarkt findet man heutzutage alles – vielleicht ja auch den Partner fürs Leben, scheint sich so mancher Single zu denken. Schmierige Bars mit schummriger Beleuchtung waren gestern. Der paarungswillige Single von heute geht im grellen Schein einer Halogenröhre auf Nummer Sicher. So ein voller Einkaufswagen verrät schließlich mehr als jede zum Eindruckschinden präparierte Junggesellen-Wohnung. Wer konsequent Sonderangebote hamstert, der wird abseits des Kassabands wohl nicht plötzlich zum spendablen Gentleman avancieren. Mit etwas Glück lassen sich an seinen Kaufentscheidungen auch gleich seine Absichten ablesen: Hat er es satt, seine Tagliatelle al Funghi alleine zu verspeisen und den angebrochenen guten Rotwein im Kühlschrank schal werden zu lassen, oder sucht er nur ein schnelles Abenteuer zwischen zwei Instant-Nudelgerichten? Mag sein, dass man seiner Einkaufsbekanntschaft unrecht tut, aber für den ersten Eindruck bekommt man eben keine zweite Chance, weder in der Bar, noch im Supermarkt. Und genau wie bei jedem anderen Flirt warten auch hier allerhand Fettnäpfchen nur darauf, dass man hineintritt. Das fängt schon bei den einzelnen Abteilungen an, von denen nicht alle gleichermaßen zum Anbändeln geeignet sind. Das Tiefkühlregal zum Beispiel: Fertigpizzen und gefrorene Meeresfrüchte versprechen eher unterkühlte Flirt-Aussichten. Der Süßwarengang könnte zu Missverständnissen führen: „Seh ich etwa aus wie ein verzweifelter Single, der sich mit Schokolade trösten muss?“. In der Weinabteilung dasselbe in Grün, pardon, Rot: „Will er mich nur abfüllen oder braucht er mich als Flaschenöffner für den teuren Rotwein, den er sich selbst nie leisten würde?“. Währenddessen schreien die Orangen, Kokosnüsse und Melonen in der Obstabteilung geradezu nach Freud’schen Versprechern. Wenigstens gegen das Spezialitätenregal dürfte nichts einzuwenden sein, oder? Dort einzukaufen, zeugt immerhin von gutem Geschmack – was man von einer Anmache à la „Vielleicht haben wir neben der Vorliebe für mediterrane Küche ja noch mehr gemeinsam.“ allerdings nicht behaupten kann. Gemeinsamkeiten hin oder her, von Lebensmittel-Unverträglichkeiten als Gesprächseinstieg ist ebenfalls abzuraten – auch vorm Regal mit den laktose- und glutenfreien Produkten. Bevor man sich jedoch seinen Kopf über das Wo zerbricht, sollte man sich lieber Gedanken über das Wie machen. Hinter jedem Einkaufswagen steckt schließlich auch nur ein Mensch. Einer, der vor allem eins will – einkaufen. Und was für bewusstes Einkaufen gilt, gilt auch für das Flirten währenddessen: Weniger ist mehr. Sollten sich zwischen Paletten und Doppelpacks tatsächlich zwei gefunden haben, spielt es nämlich auch keine Rolle, wenn ihre Kennenlerngeschichte anfängt mit „Einmal vorm Klopapierregal…“.