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Tree to bar – wenn die Schokolade nicht weit vom Stamm fällt.

5 Nov
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Kevin Kugel und ich zu Gast bei Pacari in Quito © Sarah Krobath

Der Kakao für den Bio-Schokoriegel, den mir mein Liebster als Reiseproviant für Ecuador eingepackt hat, stammt aus Ecuador. Zu Kakaomasse (Chocolate Liquor) verarbeitet, mit Pekannüssen und Maca veredelt und anschließend in Riegelform gebracht wurde er aber in den Niederlanden. In einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung und der einzigen im Land mit einer vollständigen Schokoladenmanufaktur, wie mir die Website von LoveChock verrät. Bean to Bar nennt sich das Prinzip, bei dem der Schokoladeproduzent sämtliche Produktionsschritte von der Röstung der Bohne bis zur Formgebung der Schokolade selbst durchführt. Auf meiner Reise durch die Kakao-Route Ecuadors bin ich auf ein ähnliches noch konsequenteres Prinzip gestoßen. Eines, bei dem der Kakao dort fermentiert, getrocknet und weiterverarbeitet wird, wo er wächst. Die Problematik dessen, wenn die gesamte Wertschöpfungskette nicht im Anbauland stattfindet, sondern der verhältnismäßig günstig eingekaufte Rohkakao im Ausland zu Schokolade verarbeitet und als hochpreisige Süßigkeit vertrieben wird, hab ich im Artikel „Von Schokoladebauern und segelnden Frachtschiffen“ für Biorama beschrieben. Umso gespannter war ich auf unseren Termin bei Pacari, der ersten in Ecuador beheimateten Bio-Schokoladenmarke und dem weltweit ersten Hersteller mehrerer Demeter Schokoladen. Das Prinzip, nach dem Pacari wirtschaftet, lautet „from tree to bar“ – also vom Kakaobaum bis zur Schokoladentafel. 2002 von Santiago Peralta und seiner Frau Carla gegründet, um der Welt die Geschichte ecuadorianischen Kakaos in Form einer heimischen Schokolade zu erzählen, räumt Pacari nicht nur regelmäßig Preise bei den International Chocolate Awards ab, sondern hat im Land auch eine kleine Revolution losgetreten.

Gabriela Paredes, Marketingleiterin Pacari © Sarah Krobath

Gabriela Paredes, Marketingleiterin Pacari © Sarah Krobath

Den Kakao für seine Schokoladen baut Pacari nicht selbst an, die bereits getrockneten und fermentierten Kakaobohnen der Sorte Arriba Nacional werden zugekauft – von Vertragsbauern, mit denen das Unternehmen eng zusammenarbeitet. Eine faire Entlohnung sei nicht nur wertvoll für die Bauern, sondern auch für die Qualität des Kakaos, erklärt Gabriela Paredes, die Marketingleiterin von Pacari. „Viele Bauern müssen oft weite Strecken zu ihren Feldern zurücklegen. Werden sie unterbezahlt, ernten sie bei jedem Erntedurchgang so viele Kakaofrüchte wie möglich und nehmen auch unreife mit.“ Ein fairer Preis ist aber nicht die einzige Investition in die Kakaobauern. Die Produzenten werden auch eigens geschult. Früher seien viele von ihnen häufig von Einkäufern abgezockt worden, die ihre Unwissenheit ausgenutzt hatten und ihnen irgendwas über Feuchtigkeitsanteile der Bohnen erzählt hatten, nur um den Preis zu drücken. Pacari hat sie mit den nötigen Messgeräten und dem dazugehörigen Know-How ausgestattet und sich damit ihre Loyalität verdient.

Kakaoregionen, Pacari

Kakaoregionen, Pacari

„Von Ecuadorianischer Schokolade zu sprechen ist so generisch wie von Französischem Wein“, lautet die Überzeugung bei Pacari. Aus dieser heraus produziert der Schokoladehersteller Tafeln mit Kakao aus verschiedenen Regionen des Landes. Zirka 3.500 in Kooperativen organisierte Familienbetriebe liefern Kakao aus den traditionellen Kakaoprovinzen Esmeraldas, Manabi und Los Rios, die in der Manufaktur in Quito zu Single Region Schokoladen verarbeitet werden. Mein Favorit, die 65%ige Manabi Schokolade zeigt sich in der Nase wesentlich nussiger und noch blumiger als die intensiv nach Kakao duftende, zart schmelzende 60%ige Esmeraldas Schokolade, außerdem wirkt sie leicht adstringierend.

Wir kosten uns durchs Pacari Sortiment © Sarah Krobath

Wir kosten uns durchs Pacari Sortiment © Sarah Krobath

Neben den Ursprungsschokoladen stellt Pacari auch mit Schokolade umhüllte Früchtstückchen und Kakaobohnen her. Zutaten wie Lemongrass, Physalis, Blaubeeren und Maca bezieht das Unternehmen ebenfalls von inländischen Kleinbauern und unterstützt sie dabei, ihren Anbau qualitätsmäßig zu steigern. Für die ganz neue Sorte mit Zitronenverbene hat das Unternehmen einer Kooperative mit hervorragenden Pflanzen sogar Geld zum Aufbau einer geeigneten Infrastruktur vorgestreckt. Geht man in einen Ecuadorianischen Supermarkt, muss man Pacari im Schokoladenregal nicht lange suchen, mindestens eine Reihe belegt die Marke dort. Besonders überrascht hat mich der Preis der Tafeln. Während die Produkte amerikanischer Riesen wie Hershey’s um die 10 $ und jene der heimischen ebenfalls sehr großen Marke Republica del Cacao stolze 6,70 $ kosten, gibt es die 50g Tafeln von Pacari schon um 2 $.

Facebook, Confiserie zum süßen Eck

Facebook, Confiserie zum süßen Eck

Hierzulande sind sie übrigens bei der Wiener Confiserie zum süßen Eck und bei Veganz erhältlich. Mischa hat sie in Berlin auch in der Weinhandlung Suff entdeckt – danke für den Tipp! Ich habe bei Pacari eine Liste mit österreichischen und deutschen Vertriebspartnern angefragt, freue mich aber auch über eure Hinweise, solltet ihr die edle Schokolade irgendwo erspähen.

Einer meiner Favoriten: Pacari Schokolade aus Manabi © Sarah Krobath

Einer meiner Favoriten: Pacari Schokolade aus Manabi © Sarah Krobath

Im Vorfeld meiner Reise hat mich Katharina gebeten herauszufinden wie es in Ecuador mit Fairtrade steht. Pacari, jedenfalls, hat eine klare Meinung dazu: „Fairtrade gibt es in Ecuador nur, weil das Ausland danach verlangt“. Da in Ecuador von vornherein wesentlich bessere Bedingungen herrschen würden und der Vertrieb ohnehin fairer ablaufe als andernorts, würde Fairtrade hierzulande eine reine Marketingfunktion erfüllen. Die Regierung sei sehr um eine faire Entlohnung der Kakaobauern bemüht – das sei aber mehr ein Thema der Philosophie als einer Zertifizierung. Würde Ecuador den Rohstoff Kakao unter Fairtrade verkaufen, würde das lediglich 6% mehr Einkommen bedeuten. Wenn sämtliche Schritte im Ursprungsland durchgeführt werden, habe das hingegen einen viel höheren Wertschöpfungsanteil zur Folge und das bringe wiederum sechsmal mehr Arbeitsplätze, rechnet mir Gabriela den Unterschied zwischen Fairtrade und sogenanntem Equitrade vor. Trotz der Erfolgsgeschichte des Unternehmens gibt es in Ecuador noch nicht viele Hersteller, die Schokolade vom Baum über die Bohne bis hin zur ladenfertigen Tafel in einer geschlossenen Kette produzieren. Das Interesse des Landes an einem Dialog zwischen Produzenten, Exporteuren und allen Akteuren dazwischen ist aber groß. Wenn es dieses so gut umzusetzen weiß wie zu kommunizieren, werden demnächst einige mehr dem Beispiel von Pacari folgen. Das goldene Zeitalter, als sich zweimal wöchentlich Kakaobohnen im Wert von 5 Millionen Dollar in einzelnen Sammelzentren Ecuadors häuften, liegt in der Vergangenheit, das goldene Zeitalter der ecuadorianischen Schokolade dafür in nicht allzu ferner Zukunft.

Bild eines Kakaobergs in einem Sammelzentrum 1905

Bild eines Kakaobergs in einem Sammelzentrum 1905

Arriba? Abajo? A gusto!

23 Okt
Camino Verde, Testgarten © Sarah Krobath

Camino Verde, Testgarten © Sarah Krobath

Die Geschichte vom Cacao Arriba geht so: Früher, bevor es ein gut ausgebautes Straßennetz gab, wurden große Mengen Kakao über den Flussweg transportiert – flussabwärts, um genau zu sein. Die Antwort auf die Frage, wo der Kakao herkomme, war demnach „arriba“, also flussaufwärts. Einer Legende zufolge soll auch noch ein Schweizer involviert gewesen sein, der ein mit Kakao beladenes Segelboot auf dem Fluss Guayas beobachtet hat. Mit der Zeit hat sich jedenfalls die Ansicht verbreitet, dass der Kakao flussaufwärts zwischen Vinces und Guayaquil besonders gut sein soll. Soviel zum Ursprung des Namens. Die restliche Geschichte rund um Arriba erzählt hier in Ecuador jeder, den man darauf anspricht, ein wenig anders – ganz nach seinem persönlichen Geschmack.

Kevin Kugel mit Cristoval von El Senor de Caballos © Sarah Krobath

Kevin Kugel mit Cristoval von El Senor de Caballos © Sarah Krobath

Fragt man Cristoval, der fast schon sein ganzes Leben lang für die Familie Soto Mayor die zum idyllischen Hotel und Spa El Senor de los Caballos gehörige Kakaoplantage leitet, erfährt man, dass seiner Meinung nach alles, was in Ecuador an Kakao wächst, im Grunde „Arriba“ ist. Sowohl der Kakao von kleinen Kakaofarmen flussabwärts, als auch jener der großen Monokultur-Plantage, durch die er uns mit seinem weißen Panamahut auf dem Kopf stolz wie ein Sheriff geleitet. Auch damit, dass sich im Grunde nur Arriba nennen darf, was von der Edelkakaosorte Criollo* abstammt, nimmt er es nicht so genau. Der CCN51-Kakao** der Plantage von El Senor de los Caballos hat für ihn nicht weniger Arriba-Potenzial als jede andere Sorte – hauptsache die Bäume befinden sich in Ecuador.

Hazienda Rancho Grande © Sarah Krobath

Hazienda Rancho Grande © Sarah Krobath

Für Mina und Ruben de Caicedo von der Hazienda Rancho Grande kommt es bei ihrem Cacao Arriba, der zu einem der 16 wichtigsten weltweit zählt, in erster Linie auf die Erde an. Die sei in Vinces, dem Standort des seit 100 Jahren und drei Generationen in Familienbesitz befindlichen Landguts, besonders ideal. Was Arriba ausmacht, ist sein fruchtiger Geschmack. Und für den spielt wiederum die Fremdbestäubung eine wesentliche Rolle.

Das erste Mal, dass ich eine Ananaspflanze sehe © Sarah Krobath

So wächst übrigens eine Ananas

Wenn Mina beim Spaziergang durch ihren Garten meint „Todo crece“, kann man das ruhig wörtlich nehmen. Hier wächst wirklich alles. Der Anblick der dort sprießenden Artenvielfalt soll selbst einen französischen Botaniker einst sprachlos gemacht haben. Rings um das kleine Häuschen wachsen Ananas-, Feigen- und Tamarindenbäume, an einigen schlingt sich eine Vanillepflanze hinauf, Lemongrass, Ginseng, Yuccawurzeln und Datteln stehen als Nachbarn neben Granatäpfeln, Mangos, Limonen und Guaven. Ein Paradies auf Erden, in dem alle Pflanzen in Harmonie miteinander leben und sich auch hinsichtlich ihrer Aromen gegenseitig bereichern, so Minas Überzeugung.

Ruben, Mina, ich und Bürgermeister Villasagua Santana © Sarah Krobath

Ruben, Mina, ich und Bürgermeister Villasagua Santana © Sarah Krobath

Die sympathische ältere Dame, die wie sie selbst sagt unter Kakaobäumen geboren worden ist, einen Kakaobauern geheiratet hat und wahrscheinlich auch unter einem Kakaobaum ihren letzten Atemzug tun wird, setzt sich dafür ein, dass neben hochwertigem Kakao auch Pflanzenarten, die in dieser Gegend in Vergessenheit geraten und beinahe ausgestorben sind, wieder in Vinces angebaut werden. Bürgermeister Cristian Villasagua Santana unterstützt sie dabei.

Schwedische Schokolade mit Kakao von Rancho Grande

Schwedische Schokolade mit Kakao von Rancho Grande

„Die Biodiversität und der Mix der Früchte kombiniert mit dem Fermentationsprozess machen den Unterschied im Aroma“, erklärt er uns beim Mittagessen begeistert bei Truthahn mit Kakaofüllung und Reis, dazu frischem Guaven- und Tamarindensaft aus dem Garten.

Der Erfolg von Rancho Grande gibt Mina und Ruben recht – ihr Fino Aroma Kakao wird direkt in die Schweiz und nach Deutschland exportiert und in Schweden gibt es sogar eine eigene Schokolade, auf deren Verpackung die Geschichte der Hazienda erzählt wird. Bis jetzt werden die Kakaobohnen vor Ort nur fermentiert und auf Bambus getrocknet, demnächst soll mit Hilfe der Regierung aber eine Maschine zur Herstellung von Schokoladenpaste angeschafft werden, ein Kakaomuseum in Vinces ist ebenfalls geplant.

Der exotische Garten Eden von Rancho Grande © Sarah Krobath

Der exotische Garten Eden von Rancho Grande © Sarah Krobath

Die Kakaoplantage Camino Verde in Balao, die wir heute besucht haben, liegt flussabwärts von Guayaquil. Der Bio-Kakao, der dort auf 80 Hektar wächst, müsste daher folgerichtig „Abajo“ statt „Arriba“ genannt werden. Warum Manager Vicente Norero auch nicht von Nacional, sondern von Neonacional spricht und welche bunt gekreuzten Kakaopflanzen in seinem 5 Hektar großen „Spielplatz“ wachsen, ist aber wieder eine andere Geschichte.

* Criollo gilt aufgrund seines ausbalancierten, runden Aromas, der milden Säure und feinen nussig-caramelligen Noten als der edelste und damit auch teuerste Kakao. Auch wenn die ursprüngliche Sorte heute kaum noch auftritt, ist sie doch Ahne vieler heute verbreiteter Edelkakaos.

** CCN51 steht  für Collection Castro Naranjal 51 – ein Hybrid aus den Sorten Nacional (Synonym für Arriba, Kakao mit Criollo-Abstammung) und Trinitario, der beim 51. Versuch des Kakaozüchters Castro Naranjal entstanden ist. Der Konsumkakao ist verglichen mit Edelkakaosorten zwar robuster und ertragreicher, aber bekanntlich auch weniger aromatisch.

„La parte humana del chocolate“

21 Okt

unocace16Die Hängematte, die unter dem Dach neben der Trocknungsmaschine mit Blick auf die dreizehn aufgeschütteten Bahnen aus Kakaobohnen gespannt ist, lädt nicht nur zum Dösen in den Arbeitspausen ein, sie ist außerdem ein Symbol dafür, wie bei der Organisation UNOCACE gewirtschaftet wird. Sie fällt mir als Erstes auf, als wir das kleine umzäunte Grundstück in Milagro betreten. Wenn ich wir sage, meine ich übrigens Chocolatier Kevin Kugel mit seiner Partnerin Sylvia, unseren Übersetzer Christian, ein uns zahlenmäßig überlegenes Kamerateam, das unsere Reise auf der Kakaoroute begleitet, und zwei Abgesandte unseres Gastgebers, dem Ministry of Foreign Trade.

Unterwegs auf der Kakaoroute Richtung Milagro

Unterwegs auf der Kakaoroute Richtung Milagro

Vor etwa 15 Jahren gegründet, vertritt die Organisation heute insgesamt 1.260 kleine Kakaoproduzenten, deren Rohware – Edelkakao der Sorte Criollo ­– sie ihnen direkt und für gutes Geld abkauft. 142 $ erhalten die Landwirte pro Pfund (ca. 45 kg) – in etwa so viel wie sonst nur Exporteure einnehmen. Im Anschluss an den aufwändigen Verarbeitungsprozess exportiert die Organisation ca. 1.200-1.400 Tonnen Edelkakao pro Jahr in die Schweiz, nach Deutschland, Holland und in die USA.

Lagerhalle von UNOCACE

Lagerhalle von UNOCACE

Die prall gefüllten Säcke in der Halle treten demnächst die Reise nach Holanda an, wie ihre Aufschrift verrät. Könnte gut sein, dass die Kakaobohnen für den holländischen Bio-Schokoriegel, den mir mein Liebster als Reiseproviant in Wien eingepackt hat, ebenfalls hier in der Zentrale oder in einem der 12 Sammelzentren von UNOCACE fermentiert und getrocknet worden sind. Die Organisation trägt neben dem amerikanischen und kanadischen nämlich auch das europäische und Schweizer Bio-Siegel und ist Fair Trade zertifiziert. Es handelt sich dabei um eine Gruppenzertifizierung aller Gesellschaften, die UNOCACE beliefern, erklärt uns Freddy Cabello, der Geschäftsführer der Organisation.

Freddy Cabello und ich vor der UNOCACE Zentrale

Freddy Cabello und ich vor der UNOCACE Zentrale

Die Antragsstellung für die Zertifizierung übernehmen er und seine Mitarbeiter für die Landwirte. Die unterschiedlichen Siegel schicken dann jeweils ihre Kontrollorgane, um den Produktionsprozess der Organisation zu überprüfen und stichprobenartig das biologische Wirtschaften der Landwirte kontrollieren. Ein finanzieller und zeitlicher Mehraufwand, der sich aber durchaus lohnt und den, nach Freddys Meinung, noch viel zu wenige in Ecuador auf sich zu nehmen bereit sind.

unocace28Bio-Kakao macht aktuell nur einen sehr geringen Teil der Gesamtproduktion des Landes aus. „In Ecuador gibt es keinen Qualitätsstandard“, schildert er die Problematik aus seiner Perspektive. Von den 200.000 Tonnen Kakao, die sein Land im Jahr produziert, handle es sich nur bei 30 Prozent um hochwertige Ware, die in einem angemessenen Prozess hergestellt wird. Das, worauf es dabei ankommt, nennt Freddy „la parte humana del chocolate“.

unocace13Um guten Kakao zu erzeugen, müssen die Arbeiter den kompletten Herstellungsprozess verstehen und gewissenhaft ausführen. Der wichtigste Faktor dabei: das richtige Tempo. Von der Fermentation der frischen exotisch duftenden Kakaobohnen in ihren weißen Kokons über die Trocknung in langen Bahnen bis hin zur mehrstufigen Qualitätskontrolle von Hand hat hier jeder Schritt seinen eigenen Rhythmus und seine individuelle Geschwindigkeit.

Virgiglio rollt die Kakaobohnen alle 30 Minuten mit einem Rechen

Virgiglio rollt die Kakaobohnen alle 30 Minuten mit einem Rechen

Virgiglio beginnt um sieben Uhr morgens damit, die fermentierten Kakaobohnen mit einem Rechen über die Planen zu rollen. Alle dreißig Minuten, an besonders heißen Tagen alle 15 Minuten, bewegt er die noch feuchten Samen, damit sie nicht zusammenkleben und sich kein Schimmel darauf bilden kann. Idealerweise geht die gesamte Trocknung unter der Sonne vonstatten und die durch die Fermentation entstandene Säure baut sich im Lauf von sechs Tagen ab. Wenn das Wetter nicht mitspielt oder der Platz in der Hochsaison knapp wird, kommt die Trocknungsmaschine zum Einsatz und der Kakao wird durch heiße Luft, die in darunterliegende Wärmekammern gepumpt wird, maximal drei Tage lang künstlich nachgetrocknet.

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Die Trocknungsmaschine bei UNOCACE

Piano piano heißt es auch bei der Fermentation. Neben einem fruchtig-hefigen Duft, der an belgisches Bier an einem Hochsommertag erinnert, steigt uns aus den hölzernen Gärkisten unter dem Wellblechdach eine beträchtliche Hitze entgegen. Vier bis fünf Tage verbringen die von den Kakaobauern in Säcken angelieferten frischen Kakaobohnen darin. Danach haben sich die weißen, glitschigen Samen in dunkelbraune Bohnen verwandelt, die Kakao wie wir ihn kennen schon wesentlich ähnlicher sind und beim Aufschneiden lila bluten.

In den Holzkisten fermentieren die Kakaobohnen und bilden dabei für die Aromabildung wichtige Säure

Während der Fermentation entsteht die für die Aromabildung wichtige Säure

Die langsamen Prozesse sind entscheidend für die Qualität, werden sie beschleunigt, wirkt sich das selbst bei der besten Bohne als Ausgangsmaterial negativ auf Aroma und Geschmack aus. Wie UNOCACE die Qualität des Kakaos sichert, können wir wenig später im Labor beobachten, das aufgrund der Abwesenheit von neuartigen Technologien und chemischen Anwendungen mehr an eine Werkstatt erinnert.

Ledy bei der Qualitätskontrolle von Hand

Ledy bei der Qualitätskontrolle von Hand

Auch hier ist alles Handarbeit. Qualitätskontrolleurin Ledy geht mit uns die Testabfolge anhand einer mit einem Buchstaben (Gesellschaft) und Zahlenkürzel (Woche) versehenen Probe Schritt für Schritt durch. Nachdem der Prozentanteil an Verunreinigungen in einer Probe festgestellt und das Durchschnittsgewicht von 100 Bohnen ermitteln worden ist, wird eine Schneideprobe mithilfe einer sogenannten Guillotine genommen und die Farben im Inneren werden verglichen.

Guillotine für Kakaobohnen Schnittproben

Guillotine für Kakaobohnen Schnittproben

Nach einer Feuchtigkeitsmessung werden die Bohnen wie in einer Miniatur-Chocolaterie bei 120° C geröstet, anschließend geschält, gemahlen und zu Cocoa Liquor geschmolzen. Abschließend geben ein Geruchs- und Geschmackstest über die Qualität der Bohnen Auskunft. Wir lassen uns die abgekühlte, immer noch flüssige Schokolade langsam auf der Zunge zergehen und staunen über das herb-nussige Aroma, das noch Minuten später auf unseren Geschmacksnerven verweilt. Ähnliche Organisationen wie UNOCACE gibt es noch sechs weitere in Ecuador. Freddy wünscht sich, dass sie sich in Zukunft mit dem Ziel eines einheitlichen Preises und Qualitätsstandards zu einer gemeinsamen zusammentun. Dass man solchen Entwicklungen in Ecuador Zeit geben muss, versteht aber niemand besser als er. Freddy für seinen Teil will das Produktionsvolumen von UNOCACE steigern und die Welt künftig mit noch mehr edlem Bio-Kakao aus Ecuador versorgen. Schneller wird sich dieser auch dann nicht produzieren lassen, eine zweite Hängematte, finde ich, wäre aber angebracht.

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Auch Chocolatier Kevin fand die handwerklichen Prozesse bei UNOCACE faszinierend

Dahin, wo der Kakaobaum wächst

18 Okt

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Für die Maya war klar, der Kakaobaum kann nur göttlichen Ursprungs sein. Die internationalen Forscher sind sich zumindest darüber einig, dass seine Geschichte in Südamerika begonnen hat. Ganz genau mit einer Stecknadel auf der Landkarte festpinnen lässt sich seine Herkunft bis heute nicht, sie dürfte aber in der Umgebung der Flüsse Napo, Caquetá und Putumayo liegen. Als hätten sie sich von den Kolonialmächten Ende des 19. Jahrhunderts überreden lassen, die Kontinente zu tauschen, wächst heute 70% des Kakaos der Welt in West- und Zentralafrika und der Großteil des ursprünglich in Afrika beheimateten Kaffees in Südamerika. Nachdem Brasilien jahrelang die Liste als größter Kakaoproduzent Lateinamerikas angeführt hat, wurde das Land letztes Jahr von Ecuador mit 220.000 Tonnen überholt. Und das vom Äquator durchquerte Land hat große Pläne – mit Kakaobäumen, die seit 2009 neu gepflanzt wurden, will Ecuador schon nächstes Jahr Platz Vier unter den Weltkakaoproduzenten einnehmen. Während Afrika ertragreicheren und resistenteren Massenkakao anbaut, hat sich Südamerika und insbesondere Ecuador als Produzent von Edelkakao hervorgetan. Weil der Anteil dessen, was im internationalen Handel als „Fine Flavour Cocoa“ bezeichnet wird, an der Weltproduktion weniger als 5 % beträgt, reisen Chocolatiers aus aller Welt auf der Suche nach den besten Bohnen in dieses „Disneyland für Kakao“ wie es Ivan Ontaneda, der Präsident des nationalen Kakaoexportverbands Anecacao, nennt. Einen von ihnen, Meister-Chocolatier Kevin Kugel, darf ich auf Kakao-Expedition begleiten. Auf Einladung des Ministery of Foreign Trade in Ecuador werde ich an seiner Seite nächste Woche Kakao-Haziendas, die Organisation der ecuadorianischen Kakao-Kleinbauern, UNOCACE, und Schokoladehersteller, die Schokolade bean to bar bzw. tree to bar direkt im Ursprungsland erzeugen, besuchen und meine Eindrücke auf sarahsatt.com sowie auf biorama.eu mit euch teilen.

Nun bekommt man nicht jeden Tag die Gelegenheit, „Hola!“ zu einem Kakaobauern zu sagen und mit ihm über die aktuelle Ernte, seine Vorstellung von Ecuadors künftiger Rolle in der Schokoladewelt und die Bedeutung von biologischem Kakaoanbau in seinem Land zu plaudern. Weil es glücklicherweise keine Einfuhrbeschränkungen für auf der Zunge brennende Fragen gibt, möchte ich nicht nur mit meinen eigenen im Gepäck nach Ecuador reisen, sondern gerne auch eure mitnehmen und weitergeben.

Was wolltest du schon immer über den Kakaoanbau und die Herstellung hochwertiger Schokolade wissen? Was interessiert dich an Ecuador als Top-Kakaoproduzent besonders? Hinterlass einfach einen Kommentar hier am Blog oder schreib deine Frage an sarah@sattgetextet.com. Ich werde versuchen, sie an den geeigneten Ansprechpartner zu richten und in einem Blogbeitrag zu beantworten.

Du kannst mich außerdem auf Twitter @FrauSatt und Instagram @sarahsattblog auf meiner Reise zum edlen Kakao von Ecuador begleiten – vorausgesetzt, der Gott des Internets ist mir gewogen.

Zuckerschock ante portas.

9 Dez
Bild: © Sarah Krobath

Bild: © Sarah Krobath

Bald ist Halbzeit, bald steht Weihnachten vor der Tür – oder besser gesagt den Türen. Jenen der unzähligen prall gefüllten Adventskalender nämlich, mit denen uns die Industrie jedes Jahr aufs Neue die Wartezeit versüßt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Kalender mit hübschen Bildern, nachdenklich stimmenden Sprüchen oder philosophischen Zitaten sind Reliquien aus dem Jahre Schnee. Wenn schon Aphorismen, dann hoffentlich in Form einer Banderole, in die Schokolade oder Zuckerl gewickelt sind, besser aber auf Esspapier gekritzelt oder mit Zuckerguss auf Lebkuchen geschrieben – ein Gedicht! Weihnachten ist schließlich die Zeit der Be-Sinnlichkeit. Die einen zählen die Tage bis Heilig Abend, die anderen schon die Kalorien. Weiterlesen

Eine Pralinenschachtel, wie das Leben sein sollte.

18 Okt

Bild: © Sarah Krobath

Forrest Gump vergleicht das Leben mit einer Schachtel Pralinen. Weil man, ihm zufolge, nie weiß, was man bekommt. Naja, ginge es nach den Bonbonieren, die unsereins in Kindertagen von der Anni Tant, der Mitzi Tant oder sonst einer wangenkneifenden Großtante zugesteckt bekommen hat, wäre das Leben zwar picksüß aber sonst eher fad. Statt dem Biss in die wahrscheinlich kleinsten Kalorienbomben der Welt war der Moment der größten Ungewissheit bei diesen Geschenken immer der Blick aufs Ablaufdatum. Nougat. Marzipan. Amaretto. Was soll sonst schon großartig drinnen sein in so einem standardisierten Schokoladewürfel? Eventuell noch Krokant oder Kaffee. Sobald man erst einmal durchschaut hat, dass die dunkelsten Stücke meist die mit Marzipan sind, jene mit Mokkabohnenhütchen den Bauch voll Kaffeecreme haben und die im Goldpapierl mit Nougat gefüllt sind, hält sich die Überraschung bei industriell gefertigten Pralinen in Grenzen. Weiterlesen

Essen macht schön.

2 Sept

Bild: Cup of Fame © donkey-products.com

„Man kann nicht den ganzen Tag essen, aber sich eincremen“, scheint sich die Kosmetik-Industrie zu denken. Das würde erklären, weshalb Schokolade und Obstsorten von A wie Aprikose bis Z wie Zitrone neben den Supermarktregalen vermehrt jene der Drogeriemärkte bevölkern. Körperbutter mit Himbeer-Duft, Shampoo, das die Haare riechen lässt, als hätte man eine Kokosnuss direkt mit seinem Kopf geknackt und Lippenpflege, die nach Cola schmeckt – von der Fülle an nach Süßigkeiten benannten Nagellacken ganz zu schweigen. Schön, Kleopatra hat angeblich in Milch gebadet und auch auf den Pyjamapartys von mir und meinen Freundinnen durfte früher die obligatorische Gurkenmaske inklusive dekorativer Scheiben für die Augen nicht fehlen. Der Milchmädchenrechnung „Was gesund ist, kann für Haut und Haare nicht schlecht sein“ kann ich gerade noch folgen. Aber Mango-Sorbet fürs Dekolleté? Kakao für die Hüften? Und Kaugummi für die Lippen? Während früher höchstens der Clown in einem schlechten Zirkus-Sketch eine Torte ins Gesicht bekam, ist frau heutzutage von Kopf bis Fuß auf Dessert eingestellt. Die Spülung mit weihnachtlicher Zimt-Nelken-Duftnote können sich die Pflegehersteller getrost in die Haare schmieren. Nur weil ich Lebkuchen nicht widerstehen kann, muss ich noch lange nicht wie einer riechen. Wenn ich Lust auf Zuckerwatte habe, fahr ich in den Wiener Prater und kauf mir einen Holzstab mit gesponnenem Zucker, keinen Pflegestift mit nachempfundenem Aroma. Die Gewichtsaufpasser unter uns sehen das womöglich anders. Vielleicht gibt es sogar bereits Verfechter der neuen Trend-Diät, bei der diesmal wirklich alles erlaubt ist, solange es in einem Seifenspender, einer Spraydose oder als Lippenstift daherkommt. Stangensellerie und Magertopfen im Kühlschrank; Mousse au Chocolat, Vanillepudding und Bananasplit im Badezimmer. Statt sich seinem Heißhunger auf Süßes hinzugeben, macht man ihm einfach mit ein paar Sprühstößen Vanille-Mandarinen-Deo Luft. Wie wär’s mit einer Anti-Cellulite-Creme mit einem Hauch von Crème Brûlée? Oder einem straffenden Peeling à la Stracciatella? Die Kennzeichnung „für fettendes Haar“ bekäme durch ein Shampoo mit Donut-Aroma auch eine ganz neue Bedeutung. Ich für meinen Teil hab den Obstsalat und diverse Nachspeisen ja lieber im Bauch als auf dem Körper, es könnte aber gut sein, dass sich wieder einmal die ein oder andere Gurke in mein Gesicht verirrt. Mit dem Essen spielt man nicht, heißt es – von schmieren und sprühen hat keiner was gesagt.

Sommerhit oder One-Lick-Wonder?

23 Jul

Bild: © Sarah Krobath

Schokolade, Vanille und Erdbeere, jahrelang haben wir diese All-time Classics rauf- und runtergeschleckt, mit ihnen im Freibad eine ruhige Kugel geschoben und unseren Eisgusto auf die Farbkombination Braun, Gelb und Rosa konditioniert. Und heute? „Habbe wir grade nicht“, sagt der gestresste Gigolo im Eissalon, der aussieht als könnte er selbst eine Abkühlung in der Eisvitrine vertragen, und verweist auf Schokoladeersatz wie Nougat, Kakao oder Nutella. Wie es scheint hat die klassischen Sorten dasselbe Schicksal ereilt wie einst Paiper und Tschisi. Damals waren sie Sommerhits, heute sind sie retro. Nicht nur auf ORF1, Pro7 und RTL, auch in modernen Eisdielen und ihren Testküchen wird gecastet was das Zeug hält. Neben mittlerweile fast schon alteingesessenen Sorten wie Tiramisu, Sahne-Kirsch, Cookies oder Kiwi wetteifern heute auch Mohn, Ingwer und Eierlikör um den Titel Austria’s next Tütenmodel. Waren die Becher, die die Welt bedeuten vormals fast ausschließlich süßen Früchtchen vorbehalten, versuchen sich heute Ausnahmetalente aus dem Gemüseregal und der Käseglocke als Teilnehmer bei der Stanizelmania. Schokoriegel und Fruchtzwerge, die eine Zweitkarriere als Popsiclestars anstreben, sind Schnee von gestern.

Bild: © Sarah Krobath

In Wiens aktuell wohl beliebtestem Eissalon, pardon, Eisgreissler werden stattdessen Butterkekse und Ziegenkäse auf die Geschmacksnerven der Kunden losgelassen – mit Erfolg, die Standing Ovations reichen zum Teil zurück bis zur Gelateria Zanoni & Zanoni. Etwas spezieller dürfte da schon die Fangemeinde vom Lepantos sein, das sich ebenfalls im ersten Wiener Bezirk angesiedelt hat. Dort kommt in die Tüte, was manch einer nicht einmal seiner Salatschüssel zumutet: Rote Rübe. Fernab vom Mainstream werden Zutaten wie Gurke und Wasabi oder Meersalz und Karamel zusammengecastet und als extracoole Newcomer vermarktet. Noch etwas extremer treiben es – nomen est omen – die Londoner Icecreamists. Unter dem Motto „God save the cream“ begehen sie ein Verbrechen am guten Geschmack nach dem anderen und schrecken auch nicht vor – zumindest wohlschmeckenden – Geschmacklosigkeiten wie Baby Gaga, einem Eis aus Muttermilch von lokalen Spenderinnen, oder einem Popsicle aus Weihwasser und achtzigprozentigem Absinth in der Form einer Pistole zurück. Der sogenannte Vice Lolly wird in einem eigenen Waffenschrank aufbewahrt und von seinem Erfinder, dem Icecreamists Gründer Matt O’Connor, auch als „Holy Water Pistol with a license to chill“ bezeichnet.

Bild: © Sarah Krobath

Auf die Gefahr hin, in der nicht existenten „Sarah sucht das Supereis“-Jury jetzt die Rolle des Dieter Bohlen einzunehmen: Ich finde, es gibt Zutaten, die haben einfach nicht das Zeug zum Eis. Hochprozentiges gehört in ein Shotglas – keine Shotgun, Gemüse in den Salat oder Eintopf und wer nicht weiß, wo Muttermilch hingehört, der hat sowieso einen an der Waffel. Das Publikum scheint jedenfalls auf meiner Seite zu sein. Laut WKÖ-Umfrage stellen die guten alten Sorten die neue Generation an Möchtegerns auch dieses Jahr eiskalt in den Schatten: Die Chartstürmer heißen erneut Schokolade und Vanille. Mag ja sein, dass Haselnuss inzwischen mehr Fans als Erdbeere hat, ich auf jeden Fall tippe auf ein rosa Revival. Wir dürfen gespannt sein, ob die ausgefallenen Sommerhits von 2012 auch nächstes Jahr noch in aller Munde sein werden oder ob sie sich letztendlich doch als One-Lick-Wonder entpuppen.

REZEPT ZUM REVIVAL: SELBSTGEMACHTES ERDBEEREIS

Zutaten:

1 kleine Tasse Erdbeeren

1 TL Vanillezucker (besser als Vanillinzucker)

3 EL Sauerrahm (Alternative: Joghurt)

Zubereitung:

Die Erdbeeren waschen, trocken tupfen, in kleine Stücke schneiden und über Nacht in einem Gefrierbeutel einfrieren. Die gefrorenen Erdbeerstücke kurz antauen lassen und zusammen mit dem Zucker und dem Sauerrahm in die Küchenmaschine geben. Kurz einschalten – nicht zu lange, sonst wird daraus Erdbeersoße – und fertig ist der Eisklassiker.

Nichts für schwache Geschmacksnerven.

17 Jan

Ein Markt ist ein Umschlagsplatz, wo Waren feilgeboten und von kaufkräftigen Kunden erworben werden. Zumindest war er das einmal. Zwar stehen die Standler und ihre Produkte genau wie früher in Reih und Glied am Markt und sehen zum Anbeißen aus – ja, manchmal auch die Standler – nur kommen die Kunden heutzutage mehr zum Kosten als zum Kaufen. Statt dem nötigen Kleingeld bringen sie lieber unnötig großen Hunger mit. Vor einem All-you-can-eat-Buffet isst schließlich auch keiner was. Mit so einem scheinen viele den Markt zu verwechseln, wenn sie mit furchteinflößend knurrendem Magen das Gelände stürmen und sich auf die hübsch arrangierten Kostproben stürzen. Von einem derartigen Andrang können die Pfarrer der katholischen Kirche bei der Kommunion nur träumen – vielleicht sollten sie es statt mit Oblaten einmal mit geweihten Salzmandeln, Browniekrümeln oder Käsewürfeln versuchen. Bei so einem Markt-Spaziergang lässt sich gut und gerne ein mehrgängiges Mittagessen zusammenschmarotzen. „Probieren geht über studieren“ lautet die Devise, also wird frei von der Leber weg gegrabscht, geschmatzt und einverleibt. Nur genossen wird nicht. Wie soll man sich auch auf den feinen Geschmack eines gereiften Bergkäses konzentrieren, wenn man zuvor eingelegte Gewürzgurken gefolgt von italienischer Lakritze verputzt und mit einer siebzigprozentigen Heißen Schokolade mit Minz-Note hinuntergespült hat?

Bild: Flickr © ohocheese

In Journalistenkreisen heißen die Nimmersatts, die Pressekonferenzen eher wegen der Aussicht auf ein besseres Buffet statt auf eine gute Story aufsuchen, „Earls of Sandwich“. Das Verhalten, das beim kollektiven Schnorren an den Tag gelegt wird, ist jedoch ganz und gar nicht die feine englische Art. Unter dem Motto „Wer es findet, dem gehört’s“ werden ganze Käselaibe, Schokoladetafeln und Kuchenstücke in Eigeninitiative zur Kostprobe erklärt. Ein höfliches „Bitte“ hört man zwischen dem lauten Geschmatze nur selten – von einem „Danke“ ganz zu schweigen. Der Großteil der Marktbesucher kommuniziert sowieso in Zeichensprache, zeigt auf etwas, hält die Hand auf oder legt ebendiese gleich selbst an. Wenn einmal ein Kunde den Mund aufmacht, ohne sich sogleich einen Leckerbissen hineinzuschieben, dann nur um darum zu feilschen wie am Flohmarkt – Second-Hand-Ware kommt allerdings nicht in die Tüte. Letztendlich wird aber auch am Markt nichts so heiß gegessen wie gekocht und aus so manchem Koster doch noch ein Käufer. Und wer jetzt glaubt, als Marktarbeiter hätte man nichts zu lachen, der war noch nicht am Stand mit den extrascharfen Chilisaucen.

 

 

Von schwarzen Perlen bis zu einem besseren Bounty.

10 Nov

© Jürgen Schmücking

Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man bekommt? Ganz anders beim FiBL-Tastingforum – wenn Reinhard Geßl zu einer Pralinenverkostung lädt, weiß man nämlich ganz genau was man kriegt: Sicher keine schnöde Milchschokolade oder picksüße Schokoriegel, sondern nur feinstes Bio-Konfekt. Von einem sehr guten Bounty, über eine extreme Chili-Explosion bis hin zum alten Schoko-Osterhasen war den Assoziationen der dreißig Anwesenden zufolge alles dabei. Den Anfang machte eine Criollo-Bohne, quasi die First Lady der Kakaosorten. Daraufhin konnte man sich nicht nur die großteils veganen Schokoladekreationen, sondern auch deren Namen auf der Zunge zergehen lassen. Da wären zum Beispiel die dänische Haselnuss-Schokoladencreme „Rembrandt’s“ in der Silbertube aus dem Hause Summerbird oder das Konfekt „Booja Booja“ aus England, welches sogleich den Titel „Bunga Bunga unter den Pralinen“ erhielt. Aber auch Österreich machte im internationalen Schokovergleich – dem kakaohaltigen Ideenschatz von Josef Zotter sei Dank – eine gute Figur. Um die ihre mussten sich die versammelten Verkoster auch keine Sorgen machen, schließlich stand bei der Verkostung der Genuss und nicht der Überfluss im Vordergrund.

© Jürgen Schmücking

Nach einer kurzen, appetitanregenden Einführung in die Welt des beliebten Genuss- und Suchtmittels und der enttäuschenden Erkenntnis, dass man Schokolade nicht einfach zuhause herstellen kann, wurde in den Räumlichkeiten der BOKU hochkonzentriert geschnuppert und geknabbert. Hochprozentig war hingegen die Begleitung aus Bio-Süßweinen und Likören, die Jürgen Schmücking vom Bio-Genussmarketing eigens für die Verkostung ausgewählt hatte. Davon ließen sich die Geschmacksnerven der Anwesenden aber nicht weiter beirren und schmeckten einen Großteil der Zutaten, vor allem die fruchtigen, treffsicher heraus. Lediglich Schilchercreme und Maronenfülle ließen ihre Genießer im Dunkeln tappen. Dafür wurden Propolis und Kurkuma erschmeckt, obwohl in den Pralinen davon keine Spur war. Liegt vielleicht daran, dass wir nach Kombinationen wie Schweinsgrammeln mit Nougat und Forelle mit Kokos automatisch mit etwas Ausgefallenem rechnen. Dabei braucht es für richtig gute Schokolade nicht mehr als richtig guten Kakao und am besten mindestens 70 Prozent davon.